Mittwoch
Tagsüber muss ich einen Weg erledigen. Die Sonne strahlt herrlich, aber es ist schw…kalt. Immerhin habe ich jetzt wieder eine Backform. Diese gebe ich nicht wieder weg… hoffe ich. Ich habe da nämlich so eine blöde Angewohnheit: Wenn ich für jemanden Kuchen backe, nehme ich den, damit er den Transport gut übersteht, immer in der Form mit. Und dann bleiben die Reste samt Form dort und ich bekomme sie nie zurück. {Die Form, nicht die Reste. *kicher*} Auf diese Weise habe ich in den vergangen Jahren schon einige Backformen eingebüst. Nun habe ich wieder eine, die ich am Freitag mitnehmen werde und hoffentlich wieder mit zurück bringe.
Am Nachmittag rechne ich hin und her, aber wenn ich zur Mutti fahre, schaffe ich die übrigen Erledigungen nicht. Dann rufe ich den Sohn an und teile ihm mit, dass ich an diesem Tag mal nicht zur Oma fahre. Es ist der erste Tag seit fast einem Monat, an dem ich mal nicht bei ihr bin, weil ich einiges für sie zu erledigen habe.
Als ich mich gerade auf den Weg machen will, ruft die Weinkönigin an. Ob ich Ahnung davon habe, wie man Seifen herstellt? Als ich auf der Bundesstraße bin, rufe ich sie zurück. Ich erzähle ihr von Mutti und sie gibt mir wertvolle Tipps. Sie hat selbst lange in der Pflege gearbeitet und sogar eine Weile in dieser WG, in der die Mutti jetzt ist. Schade, dass sie nicht mehr dort ist, das wäre für die Mutti sicher schön. Andererseits, für die Weinkönigin sicher weniger.
Die Weinkönigin erzählt von ihrer Seifen-Idee, verspricht mir einen Link und bittet um einen Rückruf am Abend, wenn ich mir einen Tee gemacht haben werde.
Dann bin ich vor meiner Haustür angekommen. Der Plan ist, schnell die Waschfee mit Muttis Klamotten zu füttern und wieder loszustürmen, zum Möbelschweden, wo ich noch diverse Kleinteile besorgen will, um mehr Ordnung in Muttis Schrank bringen zu können.
Als die Waschfee läuft, bereite ich noch schnell Reis vor, der später zu meinem Abendessen werden soll. Dann beschließe ich, mich noch schnell der Strümpfe zu entledigen und ziehe lange Leggins zu Kuschelsocken an. Ganz kurz mal Füße hoch. Das muss sein. Eine Viertelstunde Powernapping. Dann aber los. Es ist ja noch ein Stück Weg. Ich bin unterwegs zum Auto, als die Pflegeberaterin anruft. Mensch, haben die denn alle nichts zu tun? Am Montag Abend diese Mietervertreterin, jetzt die Pflegeberaterin. Und jedes Mal eine kurze Frage, die in ein, zwei Minuten besprochen sein kann und dann ein riesen Sermon, was ich zu tun, wie ich mich zu verhalten und wie ich mich um die Mutti zu kümmern habe. Die kurze Frage war diesmal: Ich habe die restlichen Verträge fertig. Kommen Sie am Montag 15 Uhr zur Besprechung? Ich habe ihr schon mindestens dreimal gesagt, dass ich bis 15 Uhr arbeite und dann noch mindestens eine Stunde Weg habe. Wir einigen uns auf 16 Uhr. Das schaffe ich locker, weil sie bisher JEDES Mal mindestens eine Stunde zu spät kam. *grins* Und dann fing sie an, mich zu belehren, welche Rituale ich für die Mutti einzuführen habe und wie oft ich bei ihr zu sein habe, nämlich jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Besser wäre natürlich noch, ich käme Dienstag und Donnerstag und dann könnte ich am Samtag nämlich auch mit den anderen Bewohnern zusammen Kaffee trinken und auch mal was spielen. Geht’s noch? Wenn ich eine Rundumbetreuung für die Mutti hätte gewährleisten können, hätte ich sie zu Hause lassen können. Ich bezahle schließlich jeden Monat eine vierstellige Summe dafür, dass die Mutti 24 Stunden betreut wird, zusätzlich zu Miete und den Pflegeleistungen, die die Kasse trägt. Da lasse ich mir von der Pflegedame nicht vorschreiben, wann und dass ich mich auch um die anderen Bewohner kümmern muss. Und diese Rituale… Ich soll zwei Teddies kaufen und der Mutti einreden, dass wir jetzt zwei neue Freunde haben, sie einen und ich einen und wenn eine von uns einsam ist, redet sie mit dem Teddy. Hä? Meine Mutter ist dement, nicht blöd. Wenn ich ihr mit sowas käme, würde sie mich wahrscheinlich fragen, ob sie nicht besser mich einweisen lassen soll. Ich habe noch eine Freundin, die lange in der Pflege gearbeitet hat und diesbezüglich auch eine fundierte Ausbildung hat. Auch sie gab mir Tipps. Und wisst ihr was, es waren die gleichen, die mir auch die Weinkönigin schon gegeben hatte. Da darf ich mich wohl drauf verlassen. Und da war nicht solcher Mist dabei. Egal, ich bin endlich am Möbelhaus angekommen und wurstle mich durch die Regale, bis ich das gefunden habe, was ich für die Mutti haben möchte. Als ich herauskomme, ist es dunkel. Es fühlt sich gut an. Ich freue mich über die Einkäufe und dass ich sie doch noch erledigt habe.
Daheim gibt es Reis mit Gemüse und asiatischen Gewürzen und dann den versprochenen Rückruf bei der Weinköngin. Wir wollen demnächst zu einem Seifensiede-Kurs. Ja, das möchte ich. Das ist ein Ausblick auf Normalität in meinem Leben. Jaha.